Vertrauen aufbauen

Alle Menschen, die mit Kindern leben oder arbeiten haben zumindest eine Ahnung davon, was Urvertrauen bedeutet. Wie kann ich Vertrauen bewusst fördern? Hier kommen ein paar praktische Tipps.

Bedürfnisse erkennen schafft Vertrauen

Es hängt von der Entwicklung des Kindes ab, welche Bedürfnisse gerade am wichtigsten sind. Im ersten Jahr geht es darum, die Welt kennen zu lernen und zu erfahren, ob sie ein sicherer Ort ist – oder eben nicht. Wie lernen Babies, ob ihre Welt sicher ist? Über das Verhalten ihrer Bezugspersonen. Erwachsene, die prompt und adäquat auf die Bedürfnisäußerungen des Babys reagieren pflanzen einen wichtigen Samen: den des Vertrauens. Sie geben Zuwendung, Berührung, Aufmerksamkeit und stillen die körperlichen Bedürfnisse nach Nahrung, Sauberkeit, Wärme und Berührung. In diesem Video spreche ich über beziehungsvolle Pflege.

Wie lernen Babies, ob ihre Welt sicher ist? Über das Verhalten ihrer Bezugspersonen.

Beruhigung für alle frischen Eltern: Dein Kind kann noch nicht warten. Es ist unsinnig, einen Säugling schreien zu lassen, weil er das „lernen“ soll. Er kann es nicht. Andererseits fällt er jedoch bereits in den ersten Wochen ein harsches Urteil über die Welt: sie ist kalt, meine Bedürfnisse zählen nicht, ich werde nicht gehört. Falls diese Sätze euch bekannt vorkommen – nicht zu Unrecht sind sie bei vielen Menschen das Kernproblem vieler Schwierigkeiten im Leben.

Ein Baby, dessen Bezugspersonen in den ersten Monaten zunehmend lernen, wo das bildliche Schuhchen drückt und dem Baby geben was es gerade braucht, lernt: die Welt ist verlässlich, meine Bedürfnisse zählen, ich werde gehört.

Ganz praktisch heißt das: widme deine ganze Aufmerksamkeit den Bedürfnisbekundungen des Babys: Hat es Hunger? Braucht es saubere Windeln? Braucht es Ruhe? Ansprache? Mit den ersten Monaten gewinnst zu zunehmend Sicherheit. Auch die Signale des Babys differenzieren sich aus und du wirst zum Profi deines Kindes!

Vertrauen in sich selbst

Erst wenn Kinder etwas älter werden, also bereits über ein halbes Jahr alt sind können sie auch mal warten und lernen auch was dabei. Im Idealfall hat sich zwischen den Bezugspersonen und dem Kind eine Routine eingespielt. Das Baby fühlt sich sicher, und hat schon einige Entscheidungen über sich und die Welt getroffen, die darauf hindeuten, dass die Welt vielleicht ein guter Ort ist.

Jetzt kann Papa gerade nicht sofort kommen, weil sonst das Abendessen anbrennt und Gerti liegt schreiend am Wohnzimmerboden. Sie kann sich noch nicht selber umdrehen und ist gelangweilt. Nach einigen Minuten hört Gerti plötzlich auf zu schreien. Papa ist völlig erstaunt und muss lachen: Sie hat sich ihre Füße vorgenommen und lutscht glücklich an den Zehen. Was denkt, fühlt und entscheidet Gerti?

„Die Füße sind ja interessant.“ „Mein Bedürfnis nach Neuigkeit ist befriedigt. Das ist total spannend.“ „Toll, ich kann auch mal selber für Abwechslung sorgen. Ich bin total selbständig und mächtig!“

Natürlich hört sich das in ihrem Kopf vermutlich nicht so an. Diese Prozesse passieren auf einem unbewussten Niveau. Das soll jedoch nicht deren Bedeutung herunterspielen! Gerade die unbewussten Entscheidungen, die wir früh getroffen haben, beeinflussen unsere Lebensgestaltung nachhaltig!

Vertrauen in die eigenen Fähigkeiten

Wie kann ich ein Kind darin bestärken, sich etwas zuzutrauen? Fangen wir hinten an: Welche Entscheidungen, Gedanken und Gefühle muss ein Kind gehabt haben, um sich selbst zu vertrauen?

„Ich fühle mich sicher. Ich fühle mich wertvoll und geliebt, egal was passiert.“ „Ich bin es wert, dass man mit mir lernt, mir zuhört, meine Versuche erkennt. Jemand ist da, um mir zu helfen.“ „Ich werde öfter Dinge ausprobieren.“

Das erste Gefühl ist die bedingungslose Liebe. Sie wird oft gehandelt wie ein Mythos, in Wirklichkeit ist sie gar nicht so schwierig zu erreichen. Es bedeutet, egal was passiert, egal was es tut oder wie wir uns gerade fühlen – die Liebe zum Kind ist immer da. Sogar wenn wir uns über das Kind ärgern oder verletzende Dinge sagen, können wir den Schaden schnell reparieren (siehe „Die drei Schritte des Wiedergutmachens“).

Ich bin es wert!

Gedanken und Überzeugungen wie „ich bin es wert…“ helfen im Leben ungemein. Leider erleben viele Menschen das Gegenteil. Kinder, die spüren, dass sie unserer Zeit, Aufmerksamkeit und Zuwendung wert sind, werden sich diesen Wert selbst zugestehen. Erwachsene Personen, die sich Zeit nehmen, mir etwas beizubringen, helfen mir, selbständiger zu werden (siehe „Zeit für Training nehmen“).

Kinder, die entscheiden, öfter Neues auszuprobieren, nutzen ihr wachsendes Gehirn am besten aus. Sie sind lernwillig, neugierig, lustvoll im ausprobieren und haben hohe Fehlertoleranz. Die vielgelobte Frustrationstoleranz entsteht nicht durch Frustration – sie entsteht durch das Lernen aus Fehlern.

Und praktisch heißt das…

Wenn das nächste Mal etwas schiefgeht – die Milchtasse umfällt, ein Teller zerbricht oder eine Buchseite reißt: versuche deine Handlung daran auszurichten, dem Kind Vertrauen einzuflößen.

1. Schimpfen hat noch nie einen Teller wieder auf magische Weise ganz gemacht. Schimpfen, schelten und schreien verängstigen das Kind und haben nichts mit Vertrauen zu tun. Statt dessen: Bedauere, was passiert ist und versuche, dich in das Kind hineinzuversetzen – wie fühlt es sich jetzt?

2. Schlage dem Kind eine Lösung vor, an der es sich beteiligen kann: „Sollen wir gemeinsam den Teller kleben?“ „Wischen wir zusammen die Milch auf?“

3. Gib dem Kind Gelegenheit, diese Fähigkeit auszubauen und schenke Vertrauensvorschüsse. Gleich beim nächsten Essen wird wieder ein Teller alleine getragen – oder ein Weg gefunden, wie es einfacher gemacht werden kann. Vielleicht ist das Einschenken doch noch zu schwierig? Nimm dir Zeit, mit dem Kind gemeinsam die Milch einzuschenken.

Geschenke, die sich lohnen

Ich bin sicher, du kennst viele Wege, dem Kind in deinem Leben Vertrauen zu schenken. Es ist das beste Geschenk, das du machen kannst. Erzähle mir gerne deine „Vertrauensgeschichten“ in einer E-Mail. Ich möchte ein ermutigendes Video dazu für andere Erwachsene machen.

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