Was heißt bedingungslose Liebe? Wer von uns kennt sie? Und wenn wir sie nicht kennen, wie geben wir sie dann? Können wir uns selbst bedingungslos lieben? Müssen und sollen wir Kinder bedingungslos lieben?
Ich hatte im ersten Teil dieser Serie über mich selbst berichtet und über Selbstliebe philosophiert. Apropos: Hast du mal die Kinder in deinem Leben gefragt, was es heißt, sich selbst lieb zu haben? Ich lade dich zu dieser philosophischen Frage mit Kindern ein, die Antworten rühren dich vermutlich zu Tränen. Und ihr könnt euch besser kennenlernen.
Wenn, aber, trotz, weil
Viele Erwachsene denken, dass bedingungsloses Lieben bedeutet, dem Kind alles zu erlauben, keine Grenzen zu setzen oder Kinder zu verwöhnen.
Ich übersetze bedingungslos gerne mit „weil“ und „trotz“. Warum liebe ich eine Person? Weil sie das Kind ist, das bei mir aufwächst, weil sie ein Mensch ist, weil sie meine Freundin ist, weil sie mein Partner ist, weil sie lebendig und fröhlich ist, weil sie mich glücklich macht, weil…
Trotz deiner Ungeduld, deiner Emotionalität, deiner Tollpatschigkeit, deiner Ängstlichkeit, deiner lauten Stimme, deiner… liebe ich dich. Ohne Bedingung.
Bedingung in der Liebe gibt es nicht. Bedingung heißt: „Ich liebe dich, wenn du brav bist.“ „Ich liebe dich, wenn du ruhig bist.“ „Ich liebe dich, wenn du…“ Wer von uns kennt diese Sätze nicht? Wie schmerzhaft.
Wir wollen bedingungslos geliebt werden. Oft wird mütterliche Liebe als bedingungslos bezeichnet. Viele Erwachsene lieben ihre Kinder ohne Ende, aber nicht bedingungslos. Liebesentzug ist die häufigste Methode der Bestrafung, und auch die subtilste. Viele von uns sind damit aufgewachsen und kennen es nicht anders. Oft wird Liebesentzug als Erziehungsmittel für völlig legitim erachtet. Sobald ich jedoch meine Liebe entziehe, kann sie nicht mehr bedingungslos sein. Wenn ich Abstand brauche, weil ich wütend bin, kann ich dennoch weiter lieben. Ich gehe dann in liebevolle Distanz – indem ich zum Beispiel transparent mache, was bei mir gerade passiert.

Kinder sind nicht verantwortlich für die Beziehung.
Wir sind es – die Erwachsenen.
Für ein Kind ist es eine schlimme Verletzung, wenn sich ein geliebter Erwachsener abwendet, ohne Erklärung die Beziehung abbricht und kalt und abweisend wird. Gekoppelt mit einer Beschuldigung des Kindes, etwa wie „Jetzt warst du böse, ich möchte dich nicht mehr sehen“, schlägt dies tiefe Wunden in den Selbstwert.
Wer hingegen zugewandt transparent macht: „Ich bin gerade sehr wütend (Verbalisieren von Emotionen) und brauche eine kleine Auszeit (Modell für Regulation). Ich komme in ein paar Minuten zurück (Perspektive) und kann mit dir sprechen“, hält die Beziehung zum Kind aufrecht. Kinder beziehen fast alles auf sich, besonders in ihren Beziehungen mit Erwachsenen. Daher müssen wir Kindern die Verantwortung abnehmen. Dann können sie sich entspannen und sie selbst sein, weil sie wissen dass sie geliebt sind „trotz“ ihrer Fehler, trotz einer blöden Situation, trotz eines Streits. Wie schön es doch ist, so aufzuwachsen!