Wem gehören die Kinder?

Wem gehören die Kinder? Auf den ersten Blick scheint diese Frage leicht zu beantworten. Erst beim zweiten Nachdenken kommen die komplizierten Zusammenhänge ins Spiel, die damit einhergehen. Frage nach der Kultur, nach dem Kontext, nach der Generation, der Ausbildung und die Frage der Ethik.

Fangen wir hier in Deutschland an. Meine gedankliche Reise begann mit einem Artikel, den ich am Ostersonntag über Umwege im Internet gefunden hatte. Es ging um rechts-konservative Interessen in den USA, die „Elternrechte“ stärken wollen. Dazu gleich mehr.

Deutschland ratifizierte bereits vor Jahren die UN-Konvention der Kinderrechte. Wer darüber mehr wissen möchte, sollte unbedingt diese Seite besuchen. Alle Länder der Welt, mit Ausnahme der USA, erkannten die Grundrechte von Kindern an. Darunter fallen etwa Spiel, gesunde Ernährung, Sicherheit und Lernen. Wollen wir dieses Bekenntnis ernst nehmen, wohin müssen wir uns dann bewegen? Was bedeutet das für unsere Kindergärten, Schulen, Freizeiteinrichtungen und vor allem: Familien? Wenn ich als Erwachsene das Recht des Kindes auf die eigene Meinung vollkommen ernst nehme, muss ich konsequenterweise den Satz „Weil ich es dir sage“ aus dem Vokabular streichen. Wenn das Kind ein Recht auf das eigene Bild hat, muss ich vor jedem Foto das Kind um Erlaubnis bitten (so wie es eigentlich auch bei Erwachsenen sein sollte,… aber das ist ein anderes Thema). Das Recht auf Spiel bedeutet, dem Kind Zeit zuzugestehen, die eigenen Spielbedürfnisse in Freiheit auszuleben – anstatt etwa von Leistungskurs zu Ballett zu Schachunterricht kutschiert zu werden. Und hier beginnt unser Dilemma: Viele von uns möchten gerne dem Kind in ihrem Leben all diese Rechte zugestehen und landen früher oder später wieder bei der Abkürzung: „Weil ich es sage“. Je öfter ich mir Gedanken darüber mache, wie ich Kinder anspreche, beobachte, berühre oder wertschätze, desto näher komme ich an die Umsetzung der Kinderrechte.

Bild von hartono subagio auf Pixabay

Der vorher genannte Artikel schockierte und bewegte mich stark. Darin schildert die Autorin, wie extreme konservative Rechte in den USA das Kind als Besitz der Eltern einstufen wollen – für sie zu formen und zu brechen, zu fördern oder zu bestrafen, ganz wie es ihnen beliebt. Schon mehrfach haben diese Hetzreden Kindern den Tod gebracht, weil Eltern der Meinung waren, „ihrem“ Kind Schaden zufügen zu dürfen. In dieser Welt steht das Kind in nichts über einem Haustier oder einem Gegenstand. Es hat zu gehorchen und darf gefügig gemacht werden. Zwischen diesem Extrem und dem oben genannten Shortcut „Weil ich es sage“ liegen Welten, möchtest du sagen. Aus der Perspektive der Achtung der Kinderrechte gibt es diesen Unterschied praktisch, aber nicht theoretisch. Mit dieser Aussage mag ich vielleicht schockieren, möchte ich aber wachrütteln. Wir dürfen uns nicht zufriedengeben. Es gibt keine Kompromisse, wenn es um die Wertschätzung und echte Anerkennung des Kindes geht.

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